Blutspender beim deutschen Roten Kreuz. Auch in Österreich ist das Rote Kreuz dafür Anlaufstelle Nummer eins – wenn auch nicht für alle.

foto: imago

Wien – Wer in Österreich, meist beim Roten Kreuz, Blut spendet, muss einen Fragebogen ausfüllen. Dessen Frage 37 sorgt seit Jahren für Proteste homo- und bisexueller Männer. "Hatten Sie in den letzten 12 Monaten als Mann Sex mit einem Mann?", wird dabei gefragt. Wer mit Ja antwortet, wird als Blutspender für ein Jahr gesperrt – wegen angeblich erhöhten HIV-Risikos. Transgender-Personen sind vom Blutspenden überhaupt ausgeschlossen.

Staaten wie Großbritannien, Portugal und Ungarn haben eine ähnliche Regelung im vergangenen Jahr gestrichen – in Österreich gilt sie weiterhin.

Entdiskriminierung stockt

Zwar hatten der damalige Gesundheitsminister Rudolf Anschober und der derzeitige Ressortchef Wolfgang Mückstein (beide Grüne) angekündigt, dafür zu sorgen, dass nicht mehr nach Sex von Mann zu Mann, sondern nach risikoreichen Praktiken, unabhängig von den beteiligten Geschlechtern, gefragt werden soll. Doch der Fahrplan stockt, wie zwei dem STANDARD vorliegenden Antworten Mücksteins auf Anfragen des LGBTIQ-Sprechers der SPÖ, Mario Lindner, zu entnehmen ist.

Die von Anschober avisierte sogenannte Gesundheitsfolgenabschätzung, in deren Rahmen Fachleute und NGO-Mitarbeiter und -Mitarbeiterinnen Regeln bestimmen sollten, wie Sexualrisikoverhalten zeitgemäß und nichtdiskriminierend erfasst werden kann, liege noch nicht vor, schreibt Mückstein in seiner Antwort.

Streit um HIV-Infektionszahlen

Auch eine Empfehlung Anschobers von vergangenem Jahr blieb wirkungslos. Ihr folgend sollte die Blutspende-Sperrfrist für Schwule und bisexuelle Männer von zwölf auf vier Monate verringert werden.

Das Rote Kreuz setzt das bis dato nicht um. Die vom Gesundheitsministerium geleitete Blutkommission habe beschlossen, dass die Fristverkürzung erst nach Inkrafttreten der neuen Blutspendeverordnung durchgeführt werde. Die neue Blutspendeverordnung sei aber nach wie vor nicht in Kraft. Diese müsste, um Geltung zu erlangen, vom Gesundheitsminister unterschrieben werden, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme der Organisation .

Es bestehe kein Zusammenhang zwischen Fristverkürzung und Blutspendeverordnung, rechtlich sei das nirgends festgehalten, sagt Lindner. Fakt sei, dass der Anteil von HIV-Infektionen durch Mann-zu-Mann-Sex in Österreich seit 2018 stark sinke. Er beruft sich dabei auf die jüngste HIV-Kohortenstudie aus dem Jahr 2021. Damals sei die Infektionsrate durch Mann-zu-Mann-Sex nur noch knapp über jener durch Mann-zu-Frau-Sex gelegen.

Rotes Kreuz sieht hohes Risiko

Beim Roten Kreuz sieht man das anders: Die Hälfte der Neuinfektionen falle in diese Gruppe, die nur drei bis fünf Prozent der Bevölkerung ausmache. Dasselbe gelte für die Krankheitshäufigkeit, schreibt eine Mitarbeiterin in einer Stellungnahme.

Hinzu komme das "diagnostische Fenster". Trotz modernster Tests könnten Infektionskrankheiten bei manchen Erregern nicht im Blut nachgewiesen, aber bereits übertragen werden. Bei HIV betrage der Zeitraum, in dem eine Person schon mit der Krankheit infiziert sei und diese weitergeben könne, auch wenn diese in Bluttests noch nicht nachweisbar sei, je nach Testmethode zehn Tage bis zwei Monate.

Ein Sprecher Lindners bezeichnet die vom Roten Kreuz vorgebrachten Infektionszahlen als "veraltet". (Irene Brickner, 15.2.2022)